Notfälle kommen oftmals plötzlich und es muss schnell gehandelt werden, so auch im Fall einer Anruferin auf der Telefonhotline des Kaninchenschutz e. V.

 

Am 15.05.2013 rief eine Frau aus Kleve am Niederrhein an und teilte mit, dass ihre Wohnung am nächsten Tag zwangsgeräumt würde und nun ca. 75 Kaninchen untergebracht werden müssten. Der Kontakt gestaltete sich zu Beginn schwierig, aber eine Aktive des KS konnte die Koordination übernehmen und die Tiere, die mittlerweile in einem Tiergarten zwischengeparkt waren, für zwei Wochen in einem Container eines Tierheims unterbringen, wo sie sich selber um Einrichtung und Versorgung kümmern musste.

 

Über das Forum des Kaninchenschutz e.V. wurden Pflegestellen, Tierheimplätze, Mitfahrgelegenheiten und Vor-Ort-Hilfe gesucht. Beim ersten Check der Tiere fiel auf, dass viele ein sehr lichtes Fell hatten. Bisswunden von frisch bis alt waren keine Seltenheit. Manche Tiere wiesen unterschiedliche Augenveränderungen auf. Auch Zahnfehlstellungen waren bei einigen Tieren vorhanden. Die Mädels waren alle als potentiell tragend anzusehen, da die Tiere alle zusammen in einem Raum lebten. Aufgrund von Veränderungen an den Geschlechtsorganen einiger Tiere und einer Häsin mit einer kahlen, nässenden Nase bestand auch der hochgradige Verdacht auf Kaninchensyphilis.

 

Zwei Tiere hatte es besonders schlimm getroffen, einen Rammler mit völlig vereiterter Augenhöhle und eine Häsin mit Syphilisverdacht. Diese zwei armen Nasen und ein weiteres Mädel wurden am 22.05. zu mir in die Pflegestelle gebracht. Sie wurden direkt meinem Tierarzt vorgestellt und eine Therapie eingeleitet. Alle drei hatten Zahnfehlstellungen und Milben, dazu schlimme Vereiterungen. Am 28.05. konnten der Bock Charly und die Häsin Biene operiert werden. Bienes total vereiterte Gebärmutter musste entfernt werden und Charlys vereitertes Auge wurde in Narkose versorgt, ebenso wurde ihm ein Hoden kastriert. Der andere Hoden war, wie sich später anhand eines Testosterontests herausstellte, vermutlich abgebissen worden.

 

 

 

Am Vortag aber hatte ich ein Erlebnis, das ich mein Leben lang nicht vergessen werde, so sehr habe ich mich erschreckt. Während der Gehegereinigung der beiden Häsinnen kroch plötzlich etwas Daumendickes, Blutiges durch das Gehege. Durch ein paar Schritte näher heran wurde ich Zeugin eines weiteren Däumlings, der gerade geboren wurde. Leider nahm die Mutter Melina ihre Babys nicht an, sie hatte auch kein Nest gebaut. Ich richtete ihnen in einem Katzenkorb ein Nest aus Heu her, jedoch ignorierte Melina Nest und Babys komplett, so dass die Welpen nur durch Anlegen an ihre Mutter gefüttert werden konnten.

 

 

 

Im Vergleich zu anderen Zwergkaninchenbabys waren die beiden sehr klein und viel zu leicht. Es waren gute Vergleichsmöglichkeiten da, denn weitere Häsinnen aus diesem Notfall hatten geworfen. Das erstgeborene rosafarbene Baby hatte zudem ein deformiertes Hinterbein. Es verstarb am zweiten Tag und das dunkle Baby musste nun alleine in einer Transportbox aufwachsen. Alle drei bis vier Stunden legte ich es an seine Mutter an und habe es so tatsächlich groß gezogen. Zusammen lassen konnte man die beiden nicht, Melina hatte ihr Baby sogar gebissen.

 

Das Baby war schon mit einer knappen Woche sehr mobil in seiner Transportbox und erkundete alles, daher bekam es den Namen eines berühmten Forschers, Herrn Scott, und wurde Scotty genannt. Wieder ein paar Tage später konnte es in einen Käfig umziehen, der natürlich auch erkundet wurde und damit es endlich Kuschelpartner bekommen konnte, habe ich eine weitere Häsin aus diesem Notfall aufgenommen, die zwei etwas jüngere, aber dafür um so dickere Babys mitbrachte. Diese bekamen erst einmal den Namen Wuchtbrummen.

 

 

 

 

Leider klappte es nicht, dass Scotty bei der Wuchtbrummen-Mama Sunny trinken konnte, ich habe Scotty mehrfach angelegt, aber es hat sich geweigert, daher wurde es weiterhin bei seiner Mama Melina angedockt.

 

Am 10.07. war dann Impftermin und die Geschlechter der Babys wurden bestimmt. Die Wuchtbrummenbabys heißen seitdem Willi und Wilma Wuchtbrumme und klein Scotty ist eine SIE.

 

Melina wurde, nachdem Scotty keine Milch mehr benötigte, kastriert und mit Charly vergesellschaftet. Nach einiger Zeit konnte bei Charly ein Bluttest auf den Testosterongehalt gemacht werden, um festzustellen ob der fehlende Hoden tatsächlich abgebissen wurde. Da der Test negativ war, konnte auch Scotty nach der Vermittlung von Sunny und den Wuchtbrummen zu Melina und Charly ziehen.

 

Scotty hatte leider eine Zahnfehlstellung, die inzwischen in drei Narkosen durch einen Schliff des gesamten Gebisses in den Griff bekommen wurde. Dennoch muss sie ca. einmal im Jahr in Narkose zum Zähne schleifen, da sich immer wieder Spitzen bilden, die zwischendurch zum Glück ohne Narkose entfernt werden können.

 

Im Alter von fünf Monaten fiel auf, dass sie ein Auge zukniff. Der Besuch beim Tierarzt ergab eine phakoklastische Uveitis aufgrund einer Infektion mit Encephalitozoon cuniculi (E.c.), die vermutlich schon im Mutterleib erfolgte. Spezielle Medikamente und Augentropfen konnten den Zustand verbessern, Augentropfen müssen vermutlich lebenslänglich gegeben werden, derzeit jeden zweiten Tag ein Tropfen.

 

Klein Scotty in der Mitte

Melina in der Mitte

 

Scotty und Melina

 

Am 27.05.14 konnte klein Scotty zusammen mit ihrer Mama Melina, Charly und der blinden Häsin Melli ihren ersten Geburtstag feiern. So wie es ausschaut stehen derzeit einer glücklichen Zukunft keine Hürden mehr im Weg. Dennoch verursachen Melina, die inzwischen durch eine Zahn-OP auch alle zwei Wochen zum Zähnekürzen muss, und Scotty eine Menge Kosten, daher suchen sie Paten, die da ein wenig helfen möchten.

 

 

 

Update 2017: Inzwischen ist Scotty schon 4 Jahre alt und bekommt seit über 3 Jahren täglich Augentropfen, da ihre Augen durch E.c. eine Entzündung in der Tiefe haben. Bisher verhindern die Augentropfen ihr Erblinden. Leider hat sie am 07.03.2017 ihre Mama Melina verloren, Melina konnte nicht mehr fressen und ein Röntgenbild des Kiefers zeigte, dass ihr Kieferknochen sich auflöste. Melina wurde euthanasiert. Hier die letzten Bilder:

 

 

 

 

Klein Scottys Nieren waren durch E.c. stark beeinträchtigt und als sie im August 2017 einen Kieferabszess bekam, wurde eine OP versucht, diese hat sie jedoch durch akutes Nierenversagen nicht überlebt.

 

Im Gedenken ab sie und ihre Mama Melina wird dieser Beitrag nicht gelöscht. Patenschaften können natürlich nicht mehr abgeschlossen werden.